Einführungsrede zur Vernissage

Ich begrüße Sie zur Ausstellung: Panama :: Fotografien von Jezabel Baudo.
Kurz einige biographische Angaben: Jezabel Baudo studiert seit 2003 hier in Bielefeld am Fachbereich Gestaltung der Fachhochschule bei Prof. Suse Wiegand und Prof. Emanuel Raab. An Ausstellungen sei hier nur die Gruppenausstellung „Mobilität“ 2006 in der Studiengalerie der Kunsthalle Bielefeld genannt.

Der Betrachter stutzt, es hat das unbestimmtes Gefühl, das etwas nicht stimmt. Beim genaueren Betrachten der Fotografien von Jezabel Baudo bestätigt sich dieser Eindruck: Es gibt eine Diskrepanz im Bild, der Hintergrund paßt nicht zum Vordergrund, er wirkt eigenartig deplaziert, ist farblos, schwarz-weiß, oder farbstichig, mitunter pixelig aufgelöst, mit schiefer Perspektive, es gibt Naht- und Fehlstellen. Die Bilder sind Montagen, allerdings nicht in der üblichen Form: Nicht die Fotografin montiert, sie findet solche Montagen in der alltäglichen Umwelt. Es sind die Fototapeten in Restaurants - zumeist idyllische Landschaften oder exotische Orte - es sind die längst verschwundenen pittoresken Stadtansichten mit denen Brandmauern in Megastädten wegdekoriert werden. Es ist all das was Jezabel Baudo als „Sehnsuchtsbilder“ bezeichnet: innere Bilder von fernen, fremden Orten, die mit diesen aber nicht mehr in Deckung zu bringen sind, weil sie so nicht mehr existieren, vielleicht auch nie existiert haben. Diese allgegenwärtigen „Sehnsuchtsbilder“ fallen erst dann auf, wenn in einer fremden Stadt die eigene Bildvorstellung nur noch als hochgezogenes Abziehbild zu finden ist. So hat auch Jezabel Baudo diese Bilder erst in einer anderen Stadt entdeckt, bevor sie dann gezielt solche Bilder gesucht hat, in Istanbul, in Madrid und in Berlin. Marcel Proust hat diesen Effekt beschrieben:"...es ging mir wie denen, die sich auf die Reise begeben, um mit eigenen Augen eine Stadt ihrer Sehnsucht zu schauen, und sich einbilden, man könne der Wirklichkeit den Zauber abgewinnen, den die Phantasie uns gewährt.“ Diese „Sehnsuchtsbilder“ sind ein Leitmotiv ihrer fotografischen Arbeit, so hat sie bei einer früheren Serie (die in der Ausstellung nicht zu sehen ist) einen Zirkus im Winter fotografiert: die eigene phantastischen Bilder von Pracht und Glanz wurde mit einer schäbigen, ärmlichen, von einem trüben Licht ins Grau getauchten Atmosphäre und einer ungeheuren Kälte konfrontiert, Pracht und Glanz waren nur eine abgenutzte Kulisse aus billigem Plastik. Eine Desillusionieung durch Nähe, wie Büchner sie beschreibt: „... und der Mond guckt es so freundlich an und wie´s endlich zum Mond kam war´s ein Stück faul Holz un da ist es zur sonn gegangen und wie´s zur Sonn kam, wars ein verwelkt Sonnenblum und wie´s zu den Sternen kam, warn´s klei goldene Mücke, die warn angesteckt, wie der Neuntöter sie auf die Schlehe steckt, und wie´s wieder auf die Erd wollt, war die Erd ein umgestürtzter Hafen...“

Jezabel Baudos Fotografie nimmt eine Position ein, die von der gewohnten „Neuen Deutschen Fotografie“ abweicht, bei der die Realität der eigenen Bildvorstellung angepaßt wird, auf ihren Fotos entstehen Symbiosen zwischen dem was ist und den Bildern im eigenen Kopf.

(Christian Stiesch, galerie 61)