Einführungsrede zur Vernissage

Ich begrüße Sie zur Ausstellung "scalopinae" mit Arbeiten von Pedro Krisko. Als gestern die Presse da war, habe ich so den Eindruck gehabt, die fragen sich: was ist das für jemand, warum sind das so disparat unterschiedliche Sachen und was soll das? Ich muss sagen, die sahen wirklich sehr irritiert aus. Um zu vermeiden, dass auch Sie so aussehen, will ich versuchen, ein paar dieser Fragen zu klären.

Zum Ersten: Wer ist Pedro Krisko? Er ist in Bischofswerda geboren, das ist in Sachsen. Er war ab 1976 Mitglied in der underground-Kunstszene in Dresden, wurde 1985 verhaftet und in den Westen abgeschoben. Er hat dann einige Zeit in Bielefeld gelebt, bevor er 1996 nach Kressbronn am Bodensee zieht, wo er seitdem lebt und arbeitet. Studien bei Hechelmann und Wachtmeister, seit 2005 an der Kunsthochschule Düsseldorf bei Markus Lüpertz. Seit 2005 Stipendiat der Valentinstifung Kressbronn. Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen unter anderem in Münster, Detmold, Beckum, Pulsnitz, Dresden, München, Würzburg, Bad Reichenhall.

Zum Zweiten: Warum sind das so extrem unterschiedliche Arbeiten? Pedro Krisko ist ein sehr produktiver Maler und zugleich jemand, der sich dadurch nicht einschränken lassen will, indem er sich auf eine Technik, eine Handschrift festlegen lässt. Er ist jemand, der - auch wenn ich das jetzt nicht sagen soll - in Serien arbeitet. Um es genauer zu beschreiben: Pedro Krisko arbeitet gleichzeitig an mehreren Bildern. Dabei beeinflusst die Arbeit an einem Bild zwangsläufig auch die Arbeit an anderen Bildern. Teilweise setzt er diese Methode gezielt ein: wenn er an einem Bild nicht weiterkommt, dann wird ein Bild zwischen andere Bilder gestellt, "unter Druck gesetzt", und irgendwann, irgendwann ist ein Thema "durch", es ist abgearbeitet. Aber parallel dazu wird bereits an anderen Themen, an anderen Arbeiten gearbeitet. So entsteht ein vielgestaltiges Werk, das wir so auch zeigen wollen, da es für ihn charakteristisch ist, von dem wir hier auf begrenztem Raum aber nur eine Auswahl, einen Ausschnitt zeigen können. Am Rande: wir haben im Hinterraum weitere Arbeiten aus dieser Gruppe, da ist dieses parallele Arbeiten deutlich ablesbar.

Eine weitere Ursache für diese formal sehr verschiedenen Arbeiten ist darin zu sehen, wie bei Pedro Krisko Bilder entstehen. Es gibt sicher eine Bildvorstellung, aber das eigentliche Bild, die Komposition, entwickelt sich erst während des Malens. Krisko übernimmt Zufälliges, das während des Malens entsteht, oder wie er es formuliert: "das was einem zu fällt". Dieses Momemt wird mitunter durch eine rabiate, unhandwerkliche Materialverwendung forciert. So bei den "Hermaphroditen", bei denen dünnes Kupferblech auf den Bildträger aufgeklebt und all das, was nicht festhaftet, wieder abgerissen wird, so dass Umrisse entstehen, die als neues Element in das Bild eingebaut werden. Und so ist diese große wandfüllende Arbeit dort auf der Basis einer kleinen Zeichnung - eine schnelle Skizze - entstanden, ohne diese einfach nur zu vergrößern. Sie ist vielmehr als etwas Neues entstanden, das gebrochen durch den facettenartigen Bildgrund und durch die differenzierte Verwendung malerischer und zeichnerischer Elemente trotzdem Momente er kleinen Zeichnung wiedergibt.

Zum Dritten: Was soll das? Ich kann versuchen, Ihnen zu beschreiben, was es bedeuten könnte, muss aber gleich dazu sagen, dass solche Deutungen sich immer nur auf wenige Aspekte konzentrieren und deshalb nur eine teilweise Aufklärung sein können. Pedro Krisko hat sich - vor allem in den etwas älteren Bildern - mit scheinbar klassischen Themen beschäftigt: mit Hermaphroditen, Argonauten und anderen Heldenfiguren. Doch der Anschein täuscht: "Die Helden sind tot" (so der Bildtitel einer früheren Ausstellung seiner Bilder), oder sie haben ihre Mission nicht unbeschädigt überstanden. So hat z. B. einer der Argonauten statt des fehlenden Beines eine Prothese mit Rad. Es sind sowieso eher schwere, ungelenke Körper, denen ihr Heldentum offensichtlich nicht zum Vorteil gereicht. Bei den Arbeiten, die Sie hier in dieser Ausstellung sehen können, ist Krisko noch einen Schritt weiter gegangen: Es sind Helden, denen das Wichtigste, was sie haben, ihre Aufgabe, verloren gegangen ist. Man könnte sie - angelehnt an den Titel eines Gedichts von Hans Magnus Enzensberger - als "Helden der Arbeit" bezeichnen. Sie kämpfen mit großer Geste, aber um was? Wenn Sie die große Zeichnung dort betrachten, sehen Sie gebeugte männliche Figuren, mehrfach nebeneinander angeordnet, die anscheinend schwer an ihrer Last tragen - "Helden der Arbeit". Aber was tragen sie? Beim genaueren Betrachten könnten es die Geräte sein, mit denen im Garten Gifte gegen alles Mögliche versprüht werden. Die zentrale Installation, die Sie hier im Raum sehen, bestätigt diese Vermutung: Eine Kunstrasenfläche mit einem vergoldeten Rasenmäher, ein dadurch absurd gewordenes Gerät und auf dieser kunstvoll künstlichen Idylle Maulwurfshaufen. Ein Gegner ist gefunden, und schon entbrennt ein erbitterter Kampf um Banalitäten und Nichtigkeiten, der trotz des minderen Anlasses erst mit dem Tod des Gegners oder gar dem eigenen enden wird - Freizeitstress-Herzinfarkt. Oder, um Enzensberger zu zitieren: "Der Mäher dröhnt, überdröhnt das schreiende Gras, die Freizeit mästet sich, wir beißen geduldig ins frische Gras." Kleine Anmerkung zum Schluss: die "scalopinae" sind eine aus der Neuen Welt eingewanderte Maulwurfsgattung, die, weil aggressiver als die europäischen Maulwürfe, diese nach und nach aus ihrem Lebensraum verdrängt, auch dies ein Kampf auf Leben und Tod.

(Christian Stiesch, galerie 61)