Einführungsrede zur Vernissage

Meine Damen und Herren, ich begrüße Sie zu unserer 54. Ausstellung mit Hinterglasmalerei und Plastiken von Jana Meincke.

Jana Meincke studiert seit 2003 an der Kunsthochschule in Braunschweig bei Johannes Brus und Johannes Hüppi, bei einem Bildhauer und einem Maler. Das ist eher ungewöhnlich, weil Professoren das nicht mögen und in solchen Fällen mangelnde Loyalität unterstellen.

Seit Beginn ihres Fachstudiums malt Jana Meincke auf Glas und das ausschließlich. Sie stellt dabei mit virtuoser Selbstverständlichkeit die traditionelle Vorstellung von Hinterglasmalerei als bieder dekorative, stark handwerklich geprägte Kunstgattung auf den Kopf. Das erklärt vielleicht auch die erstaunte Reaktion einiger auf die Abbildung auf der Einladungskarte: “Das soll Glasmalerei sein“?

Hinter dem Glas findet eine Materialschlacht statt: Extreme Farben werden miteinander kombiniert und stoßen sich mitunter wortwörtlich ab, reagieren mit Stoffen wie Zement oder Watte, von denen sie partiell aufgesogen werden und mit denen sie sich vermischen. Die opaken Farbschichten sind mitunter durchbrochen aufgekratzt, weggeschabt, so daß der Hintergrund oder aber eine weitere Farbschicht auf einer dahinterliegenden Scheibe sichtbar wird. Bemalte Scheiben werden mit kruden Klebstoffen sandwichartig verklebt, so daß durch die in verschiedenen Ebenen liegenden Farbschichten eine fremdartige Tiefenwirkung erzeugt wird, die oft noch durch Auf-Glas-Malerei ergänzt wird.

Diese Malerei hat sich entwickelt: Von großformatigen abstrakten Bildern, auf denen die Farbe ein von der Malerin gesteuertes Eigenleben führen durfte, hin zu den kleinformatigen Bildern aus dem Zyklus 2006 - die sie heute hier sehen können - die durch die eingeschränkte Größe ein präziseres Arbeiten erzwingen und auf denen Figuren einzeln oder in Gruppen in Räume gesetzt werden. Diese Räume verwandeln sich jetzt wieder zu abstrakten Formen; es entstehen neue große Arbeiten, die hier beispielhaft durch das große Fenster vertreten sind.

Der radikal experimentelle Umgang mit Materialien bestimmt auch die Plastik Jana Meinckes: Es sind Formen die man vielleicht als Kuscheltierföten bezeichnen könnte, mal massiv und kompakt, mal von morbider Fragilität. Variationen in einer seltsam gebrochenen Stofflichkeit. Mischungen die von Textur, Farbe und Opazität so aussehen, als sei hier Fett, Schokolade und Vogelfutter kombiniert worden, ergeben disparate Objekte, die niedlich-anziehend oder aber abstoßend wirken können.

Diese Ausstellung in der galerie 61 ist Jana Meinckes erste Solovorstellung. Sie wird in diesem Jahr an zwei weiteren Ausstellungen teilnehmen, eine davon im Oktober in einer aufgelassenen Kirche in Berlin, für die sie speziell eine Arbeit entwickeln wird, bei der sie möglicherweise die vorhandenen Kirchenfenster als Ergänzung ihrer eigenen Bilder nutzen wird, vielleicht aber auch etwas ganz anderes machen wird. Ihre Arbeit wird sich in jedem Fall weiterentwickeln, so wie sie sich auch bis jetzt entwickelt hat.

(Christian Stiesch, galerie 61)