Einführungsrede zur Vernissage

Kurz einige biographische Angaben: Anaïs Senli Fonseca kommt aus Barcelona, sie hat dort von 1998-2002 an der “Universidad de Bellas Artes” Malerei studiert. 2002-2003 war sie ERASMUS-Stipendiatin der Malerei an der Udk (Universität der Künste), Berlin, wo sie bis 2005 Malerei in der Klasse von Prof. Bernd Koberling studiert hat, bei dem sie dann auch 2006 Meisterschülerin war. Sie ist seit 2004 an zahlreichen Ausstellungen vorwiegend in Berlin und Barcelona beteiligt gewesen.
2004 bekam sie den ersten Preis “des XLVI Premio a la pintura joven” (Wettbewerb junger Malerei) in der Galerie “Sala Pares”, Barcelona und 2006 das Stipendium der Berliner Dorothea Konwiartz Stiftung

Zu Beginn eine Anmerkung: Anais Senli Fonseca ist eine sehr produktive Künstlerin die überwiegend in Serien arbeitet und großformatige Bilder malt. Deshalb können wir in unseren begrenzten Räumen nur eine Auswahl zeigen – Bilder aus den Jahren 2005 bis 2007. Wir haben aber noch weitere Bilder von ihr, die wir ihnen – jetzt oder später – gerne zeigen können.

Es gibt zwei Eigenheiten in der Malerei der Anais Senli: Ihre Malerei arbeitet überwiegend mit dem Strich, kaum mit der Fläche, also mit einem Element, das eigentlich der Zeichnung zuzuordnen ist, das aber durch seine vielfache Überlagerung Flächen bildet und so malerische Qualität gewinnt.

Das zweite Eigenheit, auf die ich bereits hingewiesen habe, ist das ausschließliche Arbeiten in Serien, die begonnen, entwickelt und dann abgeschlossen werden um anschließend in einer neuen Serie etwas davon fortzusetzen. So entwickelt Anais Senli aus ihrer eigenen Malerei, beinahe hermetisch, eine sehr eigene Bildsprache. Ich werde versuchen diese zu beschreiben und dabei auch einige der Bilder, die sie heute nicht sehen können beschreiben.

Es wird Ihnen aufgefallen sein, das in den Bilden oft kleine Objekte auftauchen, wie z.B. Würfel und Häuser. Anfangs (in den Bildern von 2004) hatten diese Objekte zeichenhaften Charakter – sie wirkten wie Symbole für etwas – und waren auch so auf der Bildfläche angeordnet, das durchaus der Eindruck von mit topographischen Symbolen bedeckten Landkarten entstehen konnte. In den nächsten Bildserien entwickelte sich durch die rasterartige Wiederholung und Verdichtung solcher Elemente etwas neues: die Landkarte wurde unversehens zum Bild der Landschaft, die „Territorios“ entstanden.

Durch die weitere Verdichtung der zeichenhaften Objekte - die mal als Raumgitter, mal flächenhaft dargestellt werden – und durch ihre Überlagerung mit Linien und Streifen wurden die Bilder dann wieder abstrakter: Die Landschaft verwandelt sich in ein Gewebe, das aber auch wieder durch Linien durchbrochen und aufgelöst wird (das ist die Bildserie, die von 2005-2007 entstanden ist, von der sie hier Bilder sehen). Diese gewebeartig schwingenden Texturen, die mal vertikal, mal horizontal gerichtet sind, bilden räumliche Verdichtungen, bei denen dann schwarze Striche so zu stacheligen Sternen zusammenlaufen können, das der Eindruck von räumlicher Tiefe entsteht. Raster zeichnen durch ihre Verformung unsichtbare Objekte wie Drahtmodelle nach und schließlich wird das Gitter von einem mahlstromartigen Wirbel farbiger Striche regelrecht aufgesogen und aufgelöst.

Diese gewebeartigen Raster beginnen dann 2007 räumlich zu wuchern, über die Bildfläche in den Raum hinein zu wachsen: Es entstehen erste Materialcollagen, die den Bildrahmen sprengen, schließlich wird die Bildidee mit einer Installation in die dritte Dimension ausgedehnt. Dieser Ausflug in den realen Raum wird dann wieder in Malerei umgesetzt, anfangs in Ausschnitten, die am realen Abbild der Installation orientiert sind (z.B. „retrato III“), die aber bald wieder zu Objekten reduziert werden, die Muster bilden.

In der neuesten Serie, an der die Künstlerin seit diesem Jahr arbeitet werden die kleinen zeichenhaften Objekte wieder größer und bildprägender, so das sie in Ihrer Wiederholung an sich wiederholende Strukturen in der realen Umwelt erinnern: parallele Linien, die andere Linien quer schneiden und die wiederum vom dickeren, unregelmäßigen Linien geschnitten werden wirken wie Leitergerüste. Mehrfach wiederholte, sich diagonal überkreuzende Linien die so mit Linien eingefaßt sind, das sich daraus Elemente wie Hochspannungsmasten entwickeln, oder schmale dunkle Rechtecke die so in einem schrägen Raster angeordnet sind, das sie wie Fassaden großer Gebäude wirken. So entsteht aus der Arbeit mit einer Bildsprache – quasi als Nebeneffekt - der Eindruck von Wirklichkeit, aus der die Malerin die einzelnen Elemente ursprünglich einmal entnommen hat.

(Christian Stiesch, galerie 61)